50+ Leben

Ich geh‘ aus – Teil 3

19. März 2018

Der Samstagabend vor einer Woche, etwa 19:30 Uhr. Langsam wird es Zeit, mich für mein geplantes Ausgehvergnügen fertig zu machen. In dieser Woche ist meine Challenge scheinbar einfach, denn es gibt heute bei mir um die Ecke ein wunderbares Samstagabendvergnügen. Bei Kreuzviertel-Live treten in verschiedenen Kneipen Bands bzw. Solokünstler auf. Das ist toll, denn man hat auf einer komprimierten Fläche die Möglichkeit, unterschiedlichen Musikrichtungen zu lauschen und dabei etwas zu essen oder zu trinken. Hat man keine Lust mehr, zieht man einfach weiter zur nächsten Kneipe.

„Kriege ich locker hin“, das denke ich schon die ganze Woche, aber nun so kurz vor dem Start wird es mir doch ein kleines bisschen mulmig. Hätte ich nicht einfach jemanden aus meinem Bekanntenkreis fragen können, ob er oder sie mitkommt? Nein, nein, so war das nicht gedacht. Ich wollte schließlich alleine ausgehen. „Zur Sicherheit“ poste ich auf Instagram eine Story mit meinen Ausgehplänen und komme aus dieser Nummer nun ganz bestimmt nicht mehr heraus. Auch schlechtes Wetter oder sonstige billige Ausreden kann ich nicht vorschieben. Also nichts wie rein in die Ausgehklamotten, Geld und Lippenstift (den brauche ich immer!) eingesteckt und losmarschiert.

Tausendmal berührt

Ich entscheide mich zunächst für die „Alte Gasse“ im Hotel Drees. Unter normalen Umständen würde ich diese rustikale Kellerbar, die sich irgendwie aus den 70ern in die Neuzeit gerettet hat, wohl nicht besuchen. Vor einigen Jahren bin ich hier schon einmal beim gleichen Event mit meinem Ex-Partner gelandet, und wir hatten ausgesprochen Spaß. Wieso sollte das heute also nicht wieder so sein? Mit meiner Meinung stehe ich anscheinend nicht alleine da, denn bei meiner Ankunft platzt die Alte Gasse aus allen Nähten. Damit hatte ich nicht gerechnet. Hier haben sich die unterschiedlichsten Menschen zusammengefunden, ein paar versprengte Fußballfans sitzen johlend an einem Tisch, an anderen Tischen wird gegessen, die Plätze am Tresen sind ebenfalls fast alle okupiert. Es ist sehr, sehr eng, in einer winzigen Nische an der Wand hat irgendwie die Bühne von Daniel Gardiner noch Platz gefunden. Auf einer gefühlt zwei Quadratmeter großen Bühne steht er zwischen Lautsprechern und Verstärker mit seiner Gitarre und hat noch ein bisschen Mühe, die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zu ziehen.

Daniel Gardiner bei Kreuzviertel Live März 2018

Love is all around

Ich kämpfe mich erstmal zum Tresen vor, bestelle ein Bier … und dann? Soll ja nicht jeder gleich mitbekommen, dass ich alleine unterwegs bin. Reflexartig verdrücke ich mich deshalb gleich wieder zurück durch die Menschenmenge in die hinterletzte Ecke. Der zugige Platz neben der Toilette verspricht nun wirklich nicht das uneingeschränkte Samstagabendvergnügen. „Geht’s noch?“, raune ich mir selbst zu. „Du wolltest doch Spaß haben. Geh wieder vor die Bühne“. Und genauso mache ich es dann auch. Das Spiel von Daniel Gardiner nimmt Fahrt auf, er stimmt eine Coverversion nach der anderen an. „When you say nothing at all“, „Love is all around“ oder „Johnny Walker“ sind nicht unbedingt die Titel, die ich mir zu Hause anhören würde, aber hier und heute gefallen sie mir. Sie verbreiten gute Laune und nichts anderes habe ich gewollt.

Whatever I said

Meine Bedenken, dass ich – und ich glaube hier und heute bin ich die einzige dieser Art – als allein „angereiste“ Dame mittleren Alters auffallen oder angemacht werden könnte, legen sich nach einiger Zeit. Irgendwann taucht eine Gruppe von drei fröhlichen Frauen (etwas jünger als ich vielleicht) auf, wir lachen uns an, ich integriere mich unauffällig und stelle zu meiner eigenen Verwunderung fest, dass ich tanze – direkt vor der Bühne für alle sichtbar. Mir fallen spontan die verkappten Hippie- und Spontieltern der 80er Jahre ein, die ihren Kindern auf Schulfesten so gerne die Schau stahlen, indem sie irgendwann völlig ungehemmt und exaltiert mit weit ausholenden Bewegungen begannen zu tanzen. Das damalige Gefühl des Fremdschämens sitzt immer noch tief. Könnte ich jetzt gerade genau dieses Bild abgeben?

Ich habe keine Zeit darüber nachzudenken. Daniel Gardiner wird immer besser, spielt einen Oldie nach dem anderen – bei „Back for good“ von Take That singen sogar die Männer mit – und ich freue mich: über den schönen Abend, die gute Stimmung und über mich selbst. Man muss sich als Ü50-Single nicht verstecken, schon gar nicht am Samstagabend. Ja, Netflix hat viele tolle Filme und Serien im Programm, zu Hause wartet ein Dutzend ungelesener Bücher und die Wochenausgabe Die Zeit auf mich, aber samstagabends möchte ich einfach ausgelassen Spaß haben. Warum sollte ich mir dieses Vergnügen also verwehren? Gegen 0.40 Uhr beschließe ich, dass ich nun genug habe. Ich schlendere immer noch fröhlich vor mich hin summend nach Hause. Am nächsten Morgen werde ich wach und habe keine Stimme mehr, dafür aber einen kleinen Kater. Ich finde, das war es wert.

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5 Comments

  • Reply Ina 19. März 2018 at 7:57

    Hedilein, wo ist denn der Teil 2?

  • Reply Seb D 21. März 2018 at 15:17

    AHAHAHAHAHA. Dein Ernst?!

    Wir sind mit 6 Leuten gg 21Uhr in der Gasse eingeflogen und haben „wie jedes Jahr“ unseren Toiletten-Türsteher-Platz an der Treppe eingenommen. Nach etlichen Runden Pils, Dortmunder Tropfen und sonstigem Zeugs – ging es dann leicht volltrunken nach Hause. Wie jedes Jahr bei Kreuzvierte Live. 😉

    Also für nächstes Jahr weißt du wo du zumindest ein bekanntes Gesicht findest!

    • Reply ahedfeld 21. März 2018 at 15:47

      Haha, das ist wirklich witzig? Wie bist Du denn auf meinen Blog gestoßen? Ich sage jetzt schon mal: bis nächstes Jahr! LG Anke

  • Reply Seb D 21. März 2018 at 20:31

    Simpel. Facebook Timeline. 😉

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