50+ Leben

„When I’m 64″– Zukunftsvisionen einer Kinderbuchautorin

30. Dezember 2017
Grafik Gastbeitrag auf different-affairs Sandra Schindler Kinderbuchautorin

Was macht eine junge Mutter auf einem Blog mit dem Hauptthema Leben mit 50+? Ganz einfach: Die jährliche Blogwichtel-Aktion des von mir an anderer Stelle bereits erwähnten Netzwerks Texttreff führt jedes Jahr schreibende Frauen zufällig zusammen, um sich gegenseitig mit einem kleinen, weihnachtlichen Geschenk in Form eines Gastartikels zu beglücken.

Meister Zufall hat u.a. Sandra Schindler, Mutter, Kinderbuchautorin und Bloggerin, und mich für eine Kombination auserwählt. Sandra war mit ihrem Beitrag sehr viel schneller als ich. Sie erzählt also jetzt einfach mal, wie die Welt aussieht, wenn sie 64 ist.

© Foto: Ruth Frobeen

In the year twenty-forty-sihiiiix

  • Im Jahr 2046 wird die vegane Ernährung zwar noch nicht allgegenwärtig sein, aber in großen Teilen der Welt im Mainstream angekommen sein, weil die Politik die von Jahr zu Jahr stärker gewordene Bürgerbewegung irgendwann nicht mehr ignorieren konnte.
  • Es gibt zwar noch ein paar wenige, krampfhaft an alten Traditionen festhaltende Menschen, die Benziner fahren. Alle anderen sind aber auf Elektroautos umgestiegen, denn die Elektrotankstellen haben lange die Benzintankstellen ersetzt.
  • Der letzte deutsche Massentierhaltungsbetrieb ist von seiner Existenz bedroht. Die Politik debattiert, was künftig mit den Nutztieren geschehen soll. Die wenigen Bürger, die nicht ohne Fleisch leben können oder wollen, ernähren sich schon lange von in Reagenzgläsern gezüchteten Steaks und Burgern.
  • In den Zoos gibt es keine lebendigen Tiere mehr, sondern nur noch lebensecht aussehende, computergesteuerte Attrappen.
  • Auch die Zirkusse sind frei von Tieren. Menschliche Künstler haben das komplette Programm übernommen. Nun gibt es die ersten Kooperationen in der Manege zwischen Menschen und Robotern.
  • Das starre Schulsystem befindet sich im Umbruch. Die von André Stern und anderen engagierten Kritikern des Schulsystems initiierte Bewegung hat dazu geführt, dass immer mehr alternative Schulen gegründet wurden, die sich klar gegen das auf Strafen und Bewertungen basierende System ausgesprochen haben. Die ersten Bundesländer haben die Schulpflicht abgeschafft.
  • Ältere Menschen wie ich erinnern sich nur noch vage an die Diskussionen um Frauenrechte, Flüchtlinge und Terror, denn das aktuellste Thema heißt Adultismus. Zwar hat man den Kindern schon lange wesentlich mehr Rechte eingeräumt, aber die Kinderpartei sieht sich von der Politik noch immer nicht ausreichend vertreten.
  • Wegwerfen ist out, Nachhaltigkeit ist Mainstream. Nicht recyceltes Toilettenpapier kann nur noch teuer aus dem Ausland importiert werden.
  • Um dem Mitgliederschwund der Kirche entgegenzuwirken (nur noch 1 von 10 Elternpaaren lässt das eigene Kind überhaupt taufen), sieht sich der Papst gezwungen, einige längst verstaubte Haltungen grundlegend zu überdenken. Unter anderem wird auch die Wahl einer künftigen Päpstin in Erwägung gezogen.
  • Wer nicht mit dem E-Auto verreisen will, geht zu einem der Underground-Bahnhöfe. Von dort steigt er auf eine Art Fließband, das Menschen in Sekundenschnelle von einem Land zum nächsten katapultiert. Das ganze System wird von erneuerbaren Energien angetrieben. Die seit Jahrzehnten leerstehenden Atomkraftwerke wurden zu Mahnmalen umfunktioniert.
  • Als in den 10er-Jahren eine Bewegung entstanden ist, die auf Kooperation statt Konkurrenz basierte, wurden die Verfechter dieser Philosophie noch müde belächelt, doch mit der Zeit zeichnete sich ab, dass diese Menschen genau diejenigen waren, die weiterkamen: beruflich, aber auch, was ihre seelische Entwicklung anging. So fingen auch andere an, sich an diesen Menschen ein Vorbild zu nehmen, weshalb das vorurteilsfreie Miteinander und das altruistische Handeln inzwischen die Regel ist und nicht mehr die Ausnahme.

Grafik So wünsche ich mir die Welt im Jahr 2046

Alles wird anders

Vielleicht wird nicht alles zutreffen, aber viele der Entwicklungen sind schon im Kommen. Wer sich überlegt, wie schnell die Dinge heute überholt sind, wie schnell die Technik neue Wege geht, kann erahnen, dass da noch einiges auf uns zukommt. Doch das muss nicht immer nur schlecht sein, wie die Pessimisten uns glauben machen wollen. Es gibt heute nach meinem Gefühl mehr Menschen als jemals zuvor, die sich mit ihren bescheidenen Mitteln dafür einsetzen, dass die Welt ein bisschen besser wird. Und es ist so leicht, wenn man z. B. anfängt, bei Kaufentscheidungen auch an die anderen zu denken, die da involviert sind. Das Schwarzbuch Markenfirmen von Klaus Werner-Lobo zeigt auf, wie dringend der Handlungsbedarf bei den großen Konzernen ist. Die Konsumenten lassen sich nicht mehr für dumm verkaufen. Immer mehr wachen auf und schauen genau hin. Wenn das so weitergeht und „die Großen“ nicht handeln, werden kleine, nachhaltig, ethisch und sozial korrekt arbeitende Firmen ihnen den Platz am Markt wegschnappen.

Natürlich werden hohe Geldbeiträge noch eine ganze Weile verhindern, dass nützliche, technische Neuerungen zum neuen Standard werden, aber irgendwann werden sich die Lobbyisten und Traditionalisten dem Druck der vor ein paar Jahren entstandenen Bewegung beugen müssen, einer Bewegung, die langsam, in ganz gesundem Tempo immer mehr Fahrt aufnimmt. Irgendwann werden wir nicht mehr nur die Vision einer besseren Welt vor Augen haben, sondern tatsächlich darin leben. Davon bin ich überzeugt!

 

Sandra Schindler schreibt Kinderbücher jenseits des Mainstream. Soeben ist ihr zweites Buch erschienen: „Flim Pinguin im Kindergarten“ soll Kindergartenneulingen die Angst vor dem Start und vor der Trennung von den Eltern nehmen. Auf ihrem Blog schreibt sie über ihr Leben als alternative, nachhaltig denkende und handelnde Mama. Mehr über die Autorin auf http://www.sandra-schindler-schreibt.de/

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Vielen Dank, liebe Sandra, für Deinen Beitrag. Du bist meiner Zeit weiter voraus als ich selbst, denn ich habe mir über mein Leben im Jahr 2046 erst sehr wenig Gedanken gemacht. Umso interessanter, diese Thematik mit den Augen einer  jüngeren Frau betrachtet zu sehen.

 

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