50+ Leben

Warum bin ich eigentlich so unlustig?

10. Juni 2018
Klappstühle und Holztische eines Straßencafes

Wenn man meine Bekannten und Freundinnen nach meinem Eigenschaften befragt, würden mit Sicherheit Adjektive wie „unkompliziert“, „lustig“, „immer gut gelaunt“ oder – diese Eigenschaft wird auch hin und wieder genannt und freut mich besonders – „ziemlich schräger Humor“ erwähnt.

Lese ich mir einige meiner Blogbeiträge durch, staune ich über die Tonality oder Tonart. Manche sind durch und durch düster gefärbt wie ein Ken-Loach-Film, manche atmen etwas Alice-Schwarzer-Haftes aus – keinesfalls oberflächlich, analytisch an manchen Stellen, aber humorvoll? Hilfe, so bin ich doch gar nicht oder wenn doch, dann nur in Teilen. Schließlich ist mein Sternzeichen „Zwillinge“, diesen Menschen sagt man ja eine gewisse Janusköpfigkeit nach.

Es gibt durchaus deutsche Journalisten-Vorbilder, deren Werke ich wirklich „lustig“, das meine ich ganz und gar bewundernd, finde. Nicht, dass ich mich auch nur mit einem von beiden vergleichen möchte, aber Harald Martensteins wöchentliche Kolumne im Zeitmagazin gehört für mich zur wöchentlichen Pflichtlektüre. Ich hätte gerne auch nur einen Bruchteil seiner Fähigkeit, die absurden Aspekte unserer modernen Welt so messerscharf zu entlarven und mit wenigen Worten so auf den Punkt zu bringen. Ähnlich faszinierend kann Till Raether über die Absurditäten des Alltags fabulieren. Er führt zu meiner großen Freude einen eigenen Blog. Nicht nur über „Die Legende von Elisabeth“ kann ich mich ausschütten vor Lachen. Natürlich gibt es auch weibliche Journalistinnen bzw. Kabarettistinnen mit dieser Gabe. Mir fallen an dieser Stelle z.B. Anke Engelke (die auf Wikipedia mit „Komikerin“ bezeichnet wird – komischer Begriff), Gerburg Jahnke und natürlich meine All-time-favorite Ina Müller ein.

Ich aber neige auf meinem Blog zur Miesepetrigkeit. Warum nur? Gerade war ich im Begriff, einen kleinen, selbstmitleidigen retrospektiven Beitrag zu meinem gerade stattgefundenen 53. Geburtstag zu verfassen, als mir einfiel, dass ich auch anders kann. Vergesst die schwermütigen Gedanken zu meinem Leben! Hier kommt nun eine wunderbare Geschichte, die mir im Jahr 2015 das Leben bzw. mein früherer Chor zugespielt hat.

Was jetzt folgt ist eine ganz und gar frei erfundene Geschichte. Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind rein zufällig.

Ein nasskalter Donnerstagabend irgendwo im Ruhrgebiet. Fünfzehn Frauen beschließen, in der kommenden Woche eine Weihnachtsfeier miteinander zu verbringen. Der Ort ist schnell gefunden, für Essen und Trinken wird gesorgt, allein die Anzahl der zur Verfügung stehenden Stühle scheint nicht ausreichend. Wieviele Stühle benötigt man eigentlich für fünfzehn Frauen? Nach eingehenden Beratungen kommt man zu dem Schluss, dass jede Frau eine eigene Sitzgelegenheit haben sollte und man demzufolge fünfzehn Stühle braucht. Nun lässt sich davon ausgehen, dass außer Familie von der Leyen und einigen Wohlbetuchten mit blaublütigem Hintergrund (okay, eventuell noch Familie Geissen, aber in deren privaten Gemächern kenne ich mich nicht verlässlich genug aus) nur wenige deutsche Haushalte über eine solch stolze Zahl an vierbeinigen Möbeln verfügen. Die eigenen Stühle werden daher grob überschlagen und weitere Alternativen in Erwägung gezogen: „… sechs, sieben … der Schreibtischstuhl geht eventuell auch noch … wenn Du vielleicht noch so zwei, drei mitbringen könntest … ach ja, und da sind auch noch ein paar ältere Exemplare im Keller … und zur Not fragen wir noch die Nachbarn – passt!“ Man geht auseinander in dem guten Bewusstsein, ein grobe Lösung für’s Sitzproblem gefunden zu haben und freut sich auf die bevorstehende Weihnachtsfeier.

Am folgenden Sonntag treffen sich einige der besagten Frauen zufällig auf der Straße. Nach allgemeinem „Hallo“ und „Wie geht’s?“ kommt bald die Sprache auf den nun nicht mehr ganz so fernen Weihnachtsfeierabend. „Wieviele Stühle brauchen wir noch mal?“ „… sechs, sieben … der Schreibtischstuhl geht eventuell auch noch … und Christel bringt auch noch so zwei, drei mit … ach ja, und da sind auch noch ein paar ältere Exemplare im Keller … und zur Not fragen wir noch die Nachbarn – passt!“ Einer der Frauen fällt plötzlich ein, dass sie in unmittelbarer Nähe zum Veranstaltungsort wohnt und über vier Klappstühle verfügt. „Super, bring die doch mit, dann muss Christel ihr Esszimmer nicht auseinandernehmen. Zur Sicherheit smsen wir aber vorher noch einmal.“ Drei Tage gehen ins Land, das Stuhlthema scheint endlich gelöst. Zur Sicherheit wird eine SMS geschrieben und man erhält eine weitere Bestätigung, dass keine weiteren Schritte in Sachen Sitzkomfort erforderlich sind. Donnerstagmogen 8:00 Uhr, erneute SMS: Es werden keine weiteren Stühle benötigt. 8:48 Uhr neue SMS einer anderen Teilnehmerin des Stuhlkreises: Doch bitte die Klappstühle mitbringen, damit Christel nicht ihr Esszimmer auseinandernehmen muss. Die Klappstuhlinhaberin ist verwirrt und smst noch einmal an beide SMS-Absenderinnen, was nun wirklich gewünscht sei, erhält aber bis 17:32 Uhr (anderthalb Stunden vor dem Beginn der Feier) keine Antwort mehr. Dann endlich eine neue Mitteilung: Bitte doch noch einen Stuhl mitbringen. Alles klar, der Stuhl wird bereitgestellt und wartet an der Haustür schon neben dem Schrottwichtelgeschenk. 18:27 Uhr eine erneute SMS: Wir brauchen doch keine Stühle mehr. Auch gut. Etwas unsicher macht sich frau nun auf den Weg zur Wohnung der Gastgeberin und wird freudestrahlend vor der Kulisse eines an Stühlen fast auseinanderberstenden Wohnzimmers begrüsst. „Da bist Du ja. Weißt Du was? Wir haben jetzt viel zu viele Stühle. Wir haben noch vier auf dem Balkon gefunden.“ Tusch, Trommelwirbel, erleichtertes Gekicher.

Für meine lieben Sangesladies, mit denen das Zusammensitzen immer besonders viel Spaß macht.

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