Leben Reisen

Fünf Räder, sieben Campingplätze, 350 Kilometer Atlantikküste – Teil 1

29. September 2017
Grafik Karte Frankreich Atlantikküste

Fahrräder bepackt mit Fahrradtaschen und Isomatte

„Kind, bist Du sicher, dass Du so etwas kannst?“ der besorgte Ausruf meiner Mutter, als ich ihr meine Urlaubspläne für das Jahr 2017 mitteile, läßt mich schmunzeln. Zum einen, weil man auch nach über 50 Jahren immer noch Kind seiner Eltern bleibt und zum anderen, weil mich meine Mutter einfach kennt. Sie weiß natürlich, wie unausstehlich ich sein kann, wenn ich nicht richtig geschlafen habe. Ehrlich gesagt, bin ich mir selbst nicht sicher, ob sie wirklich so eine gute Idee ist, die geplante 14-tägige kombinierte Rad-/Campingtour mit meinen Freundinnen. Wenn ich einen Blick auf die 65 Zentimeter schmale Isomatte werfe, die seit einigen Wochen bei mir im Büro herumliegt, tanzen meine Rückenwirbel sprichwörtlich schon ein Samba. „Wird schon irgendwie gehen“, sage ich mir selbst und auch der Aussicht, nach einer umbequemen Nacht jeden Tag 40 bis 50 Kilometer Rad zu fahren, sehe ich relativ gelassen entgegen.

Am 14. August ist es soweit. In zwei Tagesetappen sind wir von Dortmund nach Chatelaillon-Plage mit dem Auto gefahren. Das lassen wir nun stehen. Weiter geht es ab jetzt mit dem Fahrrad, dem gesamten Gepäck nebst Zelt und übrigen Utensilien über den Eurovelo 1 bis nach … na, vielleicht, wenn alles gut läuft, bis Arcachon und wieder zurück.

Drei Zelte auf einem Campingplatz davor ein Schild mit der Nummer 015
Bildercollage FlipFlops und ein Schild auf dem steht ICI vente huitres moules

Die erste Nacht auf dem Campingplatz Au Port Punay war angenehm. Ich genieße es, mehr oder weniger unter freiem Himmel zu schlafen. Und ja, die Isomatte ist sch… unbequem, aber irgendwann vergißt man das. Morgens tun wir uns noch ein wenig schwer mit der ungewohnten Morgenroutine: Baguette holen, Kaffee machen, frühstücken, die beiden mitreisenden Jungs im Alter von 12 und 13 Jahren unter die Dusche jagen, abwaschen, irgendwo das Smartphone aufladen (sehr wichtig für mich und immer wieder eine der größten Herausforderungen), die Zelte abbauen, alles wieder in den Fahrradtaschen verstauen und auf die Gepäckträger schnallen. Ich beginne langsam zu ahnen, was man unter dem Begriff „Aktivurlaub“ versteht.

Ein Baguette und Campinggeschirr liegt auf einer rot-weiß-karierten Decke

Immerhin, der Radweg, der von der Bretagne bis in den Süden Frankreichs führt, ist ganz wunderbar. Es gibt nur wenige Abschnitte, die an einer Straße entlangführen, wir können ganz entspannt radeln und tun das auch. Am ersten Tag kommen wir am verschlafenen Städtchen Rochefort vorbei, in das ich mich auf dem Rückweg später ein bisschen verlieben werde. Hier  müssen wir die Charente überqueren und nutzen dazu die vielbefahrene, vierspurige Brücke der D733. Erst später lese ich den Wikipedia-Eintrag zur wunderschönen Schwebefähre von Rochefort, die uns sicherlich stressfreier und stilvoller ans andere Ufer gebracht hätte. Was soll’s. Alle fünf sind heil auf der anderen Seite angekommen und fahren munter weiter.

Landschaft an der französischen Atlantikküste, Denkmal in Rochefort
Fotocollage Ein Feld mit Sonnenblumen, auf der anderen Seite vier Radfahrer auf einer Straße

Wir radeln durch Sumpflandschaften, an Sonnenblumen vorbei und staunen nicht schlecht, wie schnell so ein Tag vorbeigehen kann. Am frühen Abend beginnen wir schließlich, Ausschau nach dem nächsten Campingplatz zu halten. Im Marennes Oleron geht das sehr schnell. Wir finden einen schönen Aufenthaltsort „Au bon air„, der ein eigenes Areal für Radfahrer bereithält. Gut so, denn nun heißt es wieder alles runter vom Rad, Zelte aufbauen, duschen und vor allem: Zu Abend essen. Schwupp-di-wupp ist der Tag rum und wir fallen müde auf die Isomatten.


Der nächste Tag verspricht ebenfalls Gutes: Strahlend blauer Himmel und 26 Grad. Ein schöneres Wetter zum Radfahren kann man sich nicht vorstellen. Heute müssen wir kurz hinter Marennes den Mündungsbereich der Seudre überqueren. Der Fahrradführer zeigt neben einer Brücke auch eine Fährmöglichkeit, besser gesagt ein Wassertaxi an. Aber wie geht das bloß? Die französischen Erklärungen wollen sich uns nicht wirklich erschließen. Bis wir die Mobilfunknummer des „fairyman“ entdecken. Er befindet sich gerade in La Tremblade auf der anderen Seite, verspricht aber in zehn Minuten bei uns zu sein und genauso geschieht es dann auch.

Fahrräder dicht an dicht auf einer Fähre

La Tremblade ist eine Kleinstadt mit einer hübschen Markthalle und noch viel hübscheren, dicht aneinander gereihten Häusern der Austernzüchter, die alle frische Muscheln und Austern zum Verzehr anbieten. Dieses Angebot werden wir auf dem Rückweg gerne annehmen.

Eine Silhouette eines jungen Mannes in der untergehenden Abendsonne am Strand

Aus irgendeinem Grund kommen wir in La Tremblade ins Trödeln. Dort ist gerade Markt, wir haben Hunger, essen etwas und fahren erst am frühen Nachmittag weiter. Dabei erwartet uns nun einer der schönsten Abschnitte der gesamten Tour. Der Radweg führt fast 20 Kilometer direkt an der Küste entlang durch den Foret de la Coubre, einem unvergleichlich schönen Pinienwald. Ich genieße diesen Weg besonders, denn ich werde ihn zwei Mal fahren. Ungefähr nach der Hälfte des Weges bis nach La Palmyre, unserem heutigen Etappenziel, stelle ich nämlich fest, dass ich meine Jacke an einer Toilette in Marennes habe liegen lassen. Ich radel zurück, um die Jacke zu suchen, und tatsächlich liegt sie noch genau an der gleichen Stelle, an der ich sie vermutlich achtlos habe liegen gelassen. Meinen Mitreisenden fällt übrigens erst einige Zeit später auf, dass ich nicht mehr am Ende der Kolonne radle … und so entspinnt sich ein spannendes Spiel mit Zurückradeln, Aufeinanderzuradeln, wieder Zurückradeln uws.. Wer nun auf den glorreichen Gedanken kommt, man hätte sich doch einfach gegenseitig anrufen können: Im Foret de la Coubre gibt es so gut wie kein Telefonnetz. Irgendwann treffen wir uns alle am Campingplatz Beausoleil in La Palmyre wieder, starten unser Abendritual und lassen uns die Muscheln auf dem Campingplatz schmecken.

Ein Fahrrad an ein grünes Tor gelehnt, Häuser in der Landschaft der französischen Atlantikküste

Am folgenden Tag geht es weiter auf dem Eurovelo 1 nach Soulac-sur-Mer. Der Radweg führt direkt an der Küste entlang. Die Girondemündung überqueren wir mit einer Autofähre. Die Jungs lassen während der Weiterfahrt schon sehnsüchtig die Blicke auf den ein oder anderen Strand wandern. Zum Badengehen fehlt uns allerdings die Zeit, denn es ist klar, dass die abendliche Suche nach einem Campingplatz hier an der offenen Atlantikküste etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen wird. Überhaupt, die Zeit. Es mag Segen oder Fluch zugleich sein, wir sind jedenfalls von morgens bis abends beschäftigt. Für mich ist es eher ein Segen. Nicht ein einziges Mal wandern die Gedanken nach Hause oder ins Büro. Viel zu sehr sind wir damit beschäftigt, die Vorbereitungen für den Tag zu treffen, die richtige Route zu suchen – ich bin die einzige, die mit dem Smartphone via mobile Daten überhaupt einen Zugang zum Internet und damit zu Google Maps herstellen kann –, ein nettes Plätzchen für den Abend zu suchen und deswegen mit verschiedenen Campingplatz-Damen und -Herren auf französich zu telefonieren, die Stellplätze schließlich zu beziehen, sich mit den jeweiligen Örtlichkeiten vertraut zu machen, vom verschwitzten Etwas sich wieder in einen halbwegs salonfähigen Menschen zurückverwandeln und schließlich die allabendliche Essensfrage zu klären. Ja, es hat etwas dieses Vagabundenleben, aber es erfordert auch ein gewisses Maß an Disziplin.

Ein Strand an der französischen Atlantikküste

In Soulac-sur-Mer landen wir nach langem Suchen auf einem Campingplatz, den ich „liebevoll“ als „Vorhölle“ bezeichnen würde und zu dem es deswegen auch keinen Link gibt. Er verfügt über ein riesengroßes Spaßbad (direkt am Atlantik …), einen Fitnessraum, eine Sauna und jede Menge Animation. Mit dem Essen sieht es auch schlecht aus und schließlich fängt es nachts  an zu regnen. Was soll’s, wir müssen am nächsten Morgen wohl oder übel die nassen Sachen einpacken und machen uns eingepackt in die Regenkleidung wieder auf den Weg. Weil Radfahren im Regen nicht wirklich Spaß macht, kommen wir nur bis Montalivet. Wir beschließen, auf dem Campingplatz Médoc-Plage ein wenig länger zu bleiben, um unsere Klamotten zu trocknen und um endlich ein wenig Strandleben zu genießen. Mir kommt das gerade recht. Nach einer Woche ununterbrochener Betätigung habe ich tatsächlich das Bedürfnis, mich ein wenig auszuruhen.

Ein Campingplatz unter Pinien, ein kleiner Holztisch mit zwei Flaschen Perrier darauf

Montalivet-les-Bains hat einen sehr schönen Strand. Wir genießen zwei Tage lang Strandurlaub, holen uns alle einen kräftigen Sonnenbrand und lassen uns von der wunderschönen Abendstimmung am Meer verzaubern. Die erste Woche unseres Urlaubs liegt hinter uns.

Montalivet-les-Bains Montalivet-les-Bains
Montalivet-les-Bains Montalivet-les-Bains Montalivet-les-Bains

 

*** Fortsetzung folgt***

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