Landleben versus Leben in der Stadt
Ende September. Die heißen Sommerwochen liegen hinter uns. “Zum Glück“, kann ich da nur sagen, denn der vergangene Sommer hat mir zugesetzt. Die unglaubliche Hitze, der man in der Stadt nur im Freibad für eine begrenzte Zeit ein wenig entfliehen konnte, meine ewig streitenden Nachbarn, schließlich noch ein Rauchmelder, der in der neben mir leerstehenden Wohnung acht Wochen lang ununterbrochen darauf aufmerksam machen wollte, dass seine Batterien bitte zu tauschen seien – zusammengenommen haben diese Umstände wohl in mir einen regelrechten Fluchtreflex ausgelöst: Bloß weg hier, endlich Ruhe und vor allem – keine Nachbarn und keine unliebsamen Geräusche in der unmittelbaren Nähe. Ein Leben auf dem Land könnte die Alternative sein.
Meine Eltern leben an so einem Ort. Im Westerwald, wo sich Fuchs und Hase „Gute Nacht“ sagen, wo man aus der Haustür heraustritt und stundenlang mutterseelenallein über den Westerwaldsteig laufen kann. Herrlich, herrlich, herrlich. Für ein Wochenende im August habe ich diese Abgeschiedenheit mehr als genossen, bei einem Morgenlauf auf besagtem Westerwaldsteig den Morgentau auf den Wiesen fotografiert, mit meine Mutter die spärliche Gemüse- und Obstausbeute des Jahres 2018 bedauert und mir bei einem Besuch in Hachenburg ein anderes, beschaulicheres Leben ausgemalt.
Zu allem Überfluss habe ich vor Ort ein ansprechendes Wohnungsangebot entdeckt, meine Fantasie ging mit mir durch: Was wäre, wenn ich noch einmal ein völlig neues Leben ausprobieren würde? Und damit wäre ich wieder bei dem Punkt meines letzten Posts angelangt: Bin ich nun völlig verrückt geworden?
Ist ein beschauliches Leben vielleicht nur eine Illusion?
Bisher kam nur eine Großstadt mit ihren diversen sozialen und kulturellen Angeboten als Lebensmittelpunkt für mich in Frage. Seit ich Anfang 20 bin, habe ich ein Leben auf dem Land nie wieder ernsthaft in Betracht gezogen. Was also ist mit mir los? Vielleicht entwickelt man im Alter ein stärkeres Ruhebedürfnis oder einen Wunsch nach mehr Überschaubarkeit. Vielleicht bin ich auch einfach nur dem, insbesondere in den sozialen Medien so virtuos zelebrierten Eskapismus aufgesessen. Wer weiß das schon. Für zweieinhalb Tage hatte ich jedenfalls das Gefühl, einmal richtig durchatmen zu können.
Sonntagsabend hieß es wieder Abschiednehmen. Ich machte mich auf die Rückreise nach Dortmund. Meine Nachbarn waren aus dem Urlaub zurückgekehrt und fingen stante pede wieder an zu streiten … Der nächste Besuch im Westerwald wird also nicht allzu lange auf sich warten lassen.
1 Comment
Lass wirken und reifen. Was kommen soll, wird kommen. Und ja, vielleicht ist diese Wohnung ein Zeichen, wie auch die Umstände im derzeitigen Heim. Du weißt es bestimmt schon und traust Dir nicht. Ich wünsche Dir ein gutes Händchen mit Dir selbst ❤️